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Mit Romantik die Nummer 1 in der Nische werden

Die Nischenstrategie ist eine der drei Wettbewerbsstrategien – dennoch wird sie neben der Differenzierungsstrategie und der Strategie der Kostenführerschaft immer recht stiefmütterlich behandelt.

Das mag an ihrem Wesen liegen, denn Unternehmen, die sich in einer Nische tummeln, sind per definitionem nicht allgegenwärtig.

Um so mehr hat es mich gefreut, kürzlich ein wunderbares Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung der Nischenstrategie kennenlernen zu dürfen. Ich geniesse das unzweifelhafte Vergnügen, meine reisebloggende Frau gelegentlich auf Reisen begleiten zu dürfen. Wo sie arbeitet, habe ich Freizeit 😉 , so dass ich die Reisen aus einem anderen Blickwinkel betrachten kann.

Dieses Mal führte uns die Reise nach Österreich, in den Bregenzer Wald. Dort, in Bezau, hat uns das Geniesser- und Kuschelhotel GAMS zwei Tage beherbergt.

Das Hotel in der Nische

Das Hotel hat sich, wie der Name schon andeutet, auf die Bereiche “Wohlfühlen”, “Genuss” und „Romantik“ fokussiert.

Wir hatten die Gelegenheit, in einem längeren Gespräch mit der Chefin Ellen Nenning einiges über die Historie und Strategie des Hauses zu erfahren. Vieles davon lässt sich auf andere Unternehmen übertragen, die den Erfolg in der Nische anstreben.

Bemerkenswert war, dass Frau Nenning von dem Hotel mit 70 Angestellten konsequent von dem “Unternehmen” sprach und dieses genauso unternehmerisch, gemeinsam mit ihrem Partner Andreas Mennel, führt. Als sie vor ca. 20 Jahren das familiengeführte Haus übernahmen war ihnen schnell bewusst, dass sie sich im Wettbewerb positionieren und weiterentwickeln müssen, um den Fortbestand des Hotels zu sichern. Früh war den beiden klar, dass “keiner zu uns kommt, weil er müde ist oder Hunger hat.” Das Thema “Wellness” war bereits besetzt, Sporthotels gab es im Bregenzerwald auch schon zu Genüge. Was tun?

Champagner im Schaumbad
Wohlfühlen und Wellness im Geniesser- und Kuschelhotel GAMS

Mit Weitsicht haben sich die Besitzer daraufhin das Ziel gesetzt, die Nummer 1 in der bis dato wenig bekannten und besetzten Nische “Zeit zu Zweit” zu werden. Und an dieser Vision orientiert sich seitdem und bis heute alles. Um einige Beispiele zu nennen:

  • Planung: In der Anfangszeit der Positionierung und Umsetzung der Strategie sind die Besitzer mehrere Jahre lang immer wieder zu den romantischsten Plätzen in aller Welt gereist. Sie wollten lernen und Ideen sammeln, wie sie die Nische „Zeit zu Zweit“ realisieren können.
  • Zielgruppe: Das Hotel wendet sich an Paare, die “Zeit zu Zweit” geniessen wollen. Gerade zu Beginn der neuen Positionierung war es schwer, aber notwendig, den Stammgästen mit Kindern dieses zu verstehen zu geben. Aber es funktioniert: heute kommen einige der Kinder von damals mit Ihren Partnern als Paar ins Hotel.
  • Einchecken: es fängt schon damit an, dass man nach der Anreise nicht regulär an der Rezeption eincheckt und auf sein Zimmer geht, sondern in der Bar auf einen Champagner eingeladen wird und dabei seine Hotelunterlagen studiert: so kommt man nach der anstrengenden Fahrt erstmal “runter” und fängt an sich zu entspannen.
  • Ausstattung: die Zimmer haben offene Kamine, Whirlpool und Himmelbetten. Die Lobby ist im marokkanischen Stil eingerichtet (sinnbildlich für Träume und “1001 und 1 Nacht”), dazu überdimensionale Sessel.

Wir haben die Einrichtung gewählt, auf die Kinder mit offenen Mündern und großen Augen reagiert haben – obwohl wir keine Kinder im Hotel haben. Aber sie haben einen unverstellten Blick und viel Phantasie, die uns Erwachsenen oftmals fehlt. Aber genau das wollten wir hier haben.
(Ellen Nenning)

  • Restaurant: Der Genuss im mit Hauben (aka Sterne) prämierten Restaurant darf natürlich nicht fehlen.
  • Internet: In den öffentlichen Bereichen des Hotel hat man selbstverständlich Internetzugang, aber – Achtung – in den Zimmern gibt es kein WLAN! Das ist nur konsequent, denn es passt nicht zu “Zeit zu Zweit”.
  • viele Herzen an der Wand des Geniesser- und Kuschelhotel GAMS
    Das „Gästebuch“ an den Wänden des Hotels

    Service: Dass es einen Wellnessbereich, geräumige und komfortable Zimmer, etc. gibt, versteht sich von selbst. Der Service ist zudem aussergewöhnlich – so findet sich z.B. nach der Wellnessbehandlung eine Flasche Champagner auf dem Zimmer, die man im eigenen Whirlpool geniessen kann.

  • Es gibt noch viele, viele weitere Beispiele wie die Positionierung “Die Nummer 1 für Zeit zu Zweit” im Detail umgesetzt ist – von den als Gästebuch verwendeten Hotelwänden, die zahlreiche Herzen zieren, über die Benamung der buchbaren Zimmerpakete (“Quicky” für zwei Übernachtungen mit Halbpension) bis zur Bezeichnung der Zimmer als Kuschelsuiten. Bewusst wird hier auch mit Zweideutigkeiten 😉 gearbeitet.

Selten habe ich eine so konsequente und durchdachte Umsetzung einer Nischenstrategie gesehen.

“Das Schwierige ist nicht, sich für eine Sache zu entscheiden, sondern gegen alle anderen”, reflektiert die sympathische und elequente Hotelchefin. Treffender kann man es nicht beschreiben.

Der Lohn der Arbeit – Profit

Nun sagt die Lehre ja, dass man in der Nische profitabel arbeiten kann, da es wenig Wettbewerb und damit wenig Preisdruck gibt. Ob das Geniesser- und Kuschelhotel profitabel arbeitet vermag ich natürlich nicht zu sagen. Wir bekamen jedoch den Eindruck, dass die Auslastung – ein wichtiger Indikator in der Hotellerie – ganzjährig sehr hoch ist. Trotz einer adäquaten Positionierung im gehobenen Preissegment.

Das ist zumindest ein Indiz, dass auch wirtschaftlich die Nischenstrategie für das Haus aufgeht.

Take aways – Was bedeutet das für Dich?

An dem Beispiel des Geniesser- und Kuschelhotel GAMS kann man einige Punkte ableiten, die bei der Umsetzung einer Nischenstrategie hilfreich sein können:

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  1. Eine – wie auch immer geartete – Strategie ist erforderlich, um im Wettbewerb zu bestehen.
  2. Man sollte sich viel Zeit – wenn möglich Monate bis Jahre – geben, um seine Nische zu entdecken oder zu definieren. Zu dem musst Du alles Wissen über diese Nische sammeln und aufsaugen.
  3. Ganz wichtig – die Zielgruppe: Überlege genau, wen Du ansprechen willst, wer zu Deinen Kunden gehören soll.
  4. Bleibe in der Nische: ein einmal eingeschlagener Weg sollte ohne guten Grund nicht so schnell wieder verlassen werden.
  5. In der Nische zu agieren bedeutet, häufiger “nein” als “ja” zu sagen: “Nein” zu all den verlockenden Ideen – mit denen man allerdings seine Positionierung in der Nische verwässern würde
  6. Preise: Selbstbewusst sein und die Preise auch durchsetzen – wenn Du alles richtig gemacht hast, gibt es zwar eine eingeschränkte Zielgruppe, aber auch wenig Wettbewerb um diese Zielgruppe.
Christoph
Christophhttps://www.marktding.de/christoph-ludewig
betreibt Marktding.de. Ausserdem ist er B2B-Marketer und Stratege mit einer Vorliebe für Wachstumsstrategien und der Entwicklung und Vermarktung von Dienstleistungen und technischen Produkten. Sein besonderes Faible gilt der Entwicklung von produktbegleitenden Dienstleistungen. Mehr über Christoph hier im Blog.

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