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Dynamisches Pricing – Theorie oder Realität?

In einem früheren Beitrag hatte ich geschrieben, dass die Preisbildung auf Basis der Kosten (=Preisuntergrenze), des Kundennutzens und des Wettbewerbsvergleichs erfolgen sollte. Das ist auch grundsätzlich soweit richtig und gilt für die meisten Branchen, gerade im B2B-Bereich.

Es gibt aber auch Branchen, in denen sich die Preise sehr schnell verändern, z.B. bei Elektro- und Computerteilen (siehe Amazon) oder das Paradebeispiel „Kraftstoff“. Grundsätzlich ist bei Fast Moving Consumer Goods (FMCG) und insb. im Online-Vertrieb eine höhere Bewegung in den Preisen festzustellen. Das verwundert auch nicht, denn gerade die Online-Plattformen ermöglichen ein effektives dynamisches Pricing.

Welche Einflussfaktoren bestimmen den Preis?

Das Ziel der dynamischen Preisbildung die Umsatz- bzw. Gewinnmaximierung. Bevor man dazu kommt, muss man sich also überlegen, welche Faktoren und Einflussgrößen beim Pricing generell zugrunde gelegt werden können:

  • Deckungsbeitrag/Marge: Diese Grundregel gilt nach wie vor – der Preis sollte über den Kosten liegen, sonst macht das auf Dauer keinen Spass 😉
  • branchenspezifische Rahmenbedingungen: Bei Büchern gilt die Buchpreisbindung, auf Benzin sind sehr hohe Steuern festgelegt – gesetzliche oder steuerliche Rahmenbedingungen können die Preisbildung beeinflussen oder sogar beschränken.
  • lokales Wettbewerbsumfeld: hier wird es erstmalig etwas dynamischer – gerade für den Handel gilt, dass er abhängig von seinem Standort individuell Preise festlegen muss. Ist ein preisaggressiver Wettbewerber in der Nachbarschaft, so muss man reagieren und kann nicht mit bundes- oder gar europaweit einheitlichen Preisen agieren.
  • Lagerbestand und Modellpolitik: Lagerhaltung kostet Geld und bindet Kapital – es kann daher sinnvoll sein, über den Preis Lagerbestände abzubauen bzw. die Nachfrage zu erhöhen. Gleiches gilt, wenn ein neues Modell eines Produktes vor der Markteinführung steht. Das „alte“ Modell sollte möglichst komplett verkauft sein bevor das neue kommt.
  • Personalisierung (CRM): Die Königsdisziplin im dynamischen Pricing – wenn Du in der Lage bist, jedem Kunden eine individuellen Preis (nämlich den, den er maximal zu zahlen bereit ist) anzubieten, betreibst Du maximale Gewinnoptimierung.

Die hohe Kunst des Pricing – kundenindividuelle Preise

Es ist offensichtlich, dass das mit den kundenindividuellen Preisen nicht ganz so einfach ist – trotz Online-Vertrieb, CRM und Big Data.

Chart zu Dynamisches PricingZunächst aber mal – warum führen kundenindividuelle Preise zu mehr Umsatz? Könnte es nicht sein, dass dadurch die Preise, damit der Umsatz, eher sinken?

In dem Chart rechts siehst Du beispielhaft die Erklärung: die rote senkrechte Line zeigt die Kosten des Produktes an. An Punkt A siehst Du, wie viele Kunden zu einem bestimmten Preis (der über der Kosten liegt!) das Produkt kaufen. Verschiebst Du den Punkt nach links, so hiesse das: geringerer Preis, aber logischerweise mehr Käufer. Nach rechts heisst dementsprechend höherer Preis, aber weniger Käufer. Das grüne Viereck zeigt Dir dann, wie hoch Dein Gewinn bei dem angenommenen Preis ist.

Chart zu Dynamisches PricingDynamisches Pricing bedeutet ja, dass Du unterschiedliche Preise für unterschiedlich zahlungsbereite Kunden (-gruppen) hast. In dem nächsten Schaubild erkennst Du (schematisch) die Effekte: Du hast nach wie vor Deine Kunden, die zu Preis A kaufen – und zusätzlich die Kunden, die zu Preis B kaufen (der hellgrüne Bereich). Dein Gewinn hat sich erhöht! (Das funktioniert natürlich auch anders herum – von Preis B kommend einen niedrigeren Preis A anbieten)

Wenn Du es nun schaffen könntest, die gesamte Fläche unterhalb der Linie als Gewinn zu realisieren, betreibst Du echtes dynamisches Pricing – jeder Kunde zahlt den Preis, den er zu zahlen bereit ist.

Wo liegen die Grenzen des dynamischen Pricing?

Ich selber habe erlebt, wie gut dynamisches Pricing funktionieren kann: meine Internet-Domain stand zu Verlängerung an. Der Preis, den mir der bisherige Anbieter im Laufe des Verlängerungs-Kaufprozesses anzeigte, war mir aber eigentlich zu teuer. Daher entschloss ich mich zu kündigen. Nachdem ich auf „Kündigen“ klickte, bekam ich prompt ein deutlich günstigeres Angebot angezeigt – den Aufwand mit Domainumzug etc. sparte ich mir dann und willigte ein.

Aber es gibt Grenzen im dynamischen Pricing.

  • Algorithmus: Wenn der Mechanismus, wie die Preise berechnet werden, zu transparent ist, funktioniert es nicht mehr. Die Kunden kaufen dann nicht mehr nach ihrer Zahlungsbereitschaft, sondern wenn der Preis am niedrigsten ist – der Zeitpunkt ist dann ja vorhersehbar. Das schmälert Umsatz und Gewinn, statt ihn zu optimieren.
  • Kundenverärgerung: Man sollte die Dynamik auch nicht in allzu großen Bandbreiten und Sprüngen vornehmen. Kunden die „gerade eben“ zu einem deutlich höheren Preis gekauft haben sind verärgert und frustriert. Das ist das Gegenteil der kognitiven Nachkaufdissonanzreduktion 😉
  • Kontrolle: Ich würde die Preisdynamik nicht einem Computer oder Algorithmus überlassen. Kein Algorithmus kann alle Effekte, Umstände und Einflussgrößen auf den Preis und das Kaufverhalten berücksichtigen. Daher ist eine Kontrolle und manueller Eingriff in die Preise immer vonnöten – sonst kann es unangenehm werden.

Aktives Preismanagement führt zu höheren Preisen

Und – können wir uns nun alle freuen, dass wir demnächst alle weniger bezahlen müssen, weil wir so tun, als wäre unsere Zahlungsbereitschaft niedrig?

Eher nicht. Denn das dynamische Pricing zielt ja darauf ab, höhere Preise zu erzielen.

Umgesetzt werden kann das mit Hilfe der immer ausgefeilter funktionierenden CRM-Systeme, Kundenprofile, Big Data, etc.

Und das ist primär beim Online-Vertrieb der Fall. Deswegen, und aufgrund der schnellen und einfachen Preisänderungsmöglichkeiten im Online-Handel, möchte ich behaupten, dass der Online-Konsum tendenziell nicht mehr der Discount-Shopping-Kanal bleiben wird.

Derjenige Anbieter, der das dynamische Pricing in seiner Branche am besten beherrscht wird nicht nur seinen Profit optimieren, sondern auch enorme Markteintrittsbarrieren aufbauen können.

Hast Du ein Beispiel für funktionierendes dynamisches Pricing?

Christoph
Christophhttps://www.marktding.de/christoph-ludewig
betreibt Marktding.de. Ausserdem ist er B2B-Marketer und Stratege mit einer Vorliebe für Wachstumsstrategien und der Entwicklung und Vermarktung von Dienstleistungen und technischen Produkten. Sein besonderes Faible gilt der Entwicklung von produktbegleitenden Dienstleistungen. Mehr über Christoph hier im Blog.

2 Kommentare

  1. Du schreibst:

    „Kontrolle: Ich würde die Preisdynamik nicht einem Computer oder Algorithmus überlassen. Kein Algorithmus kann alle Effekte, Umstände und Einflussgrößen auf den Preis und das Kaufverhalten berücksichtigen. Daher ist eine Kontrolle und manueller Eingriff in die Preise immer vonnöten – sonst kann es unangenehm werden.“

    Meinst du mit Kontrolle eine stichprobenartige Kontrolle der Anpassungen oder eine manuelle Freigabe der neuen Preise? Letzteres würde ja häufige Preisanpassungen verhindern, da es zu ineffizient wäre. Damit wären dann aber auch die wichtigen Vorteile des dynamischen Pricings hinfällig.

    Mich wundert ehrlich gesagt ein wenig, dass solche Pannen im dynamischen Pricing zustande gekommen sind. Letztlich muss man die Preise ja nicht unbedingt manuell kontrollieren, sondern kann diese auch automatisiert nach den wichtigsten Kriterien prüfen. Ich denke, dass man diese Kinderkrankheiten der Softwarelösungen beheben kann, wenn man das wirkliche Potential hinter einem vollautomatisierten Pricing versteht und dementsprechend investiert.
    Eine effiziente menschliche Kontrolle könnte dann mit Hilfe von Dashboards und Statistiken eingesetzt werden.

    • Hallo Matthias,
      Danke für Deine Anregungen.
      Du hast schon Recht – die Programme werden immer ausgefeilter und lernfähiger, d.h. sie können sich schon selbst kontrollieren.
      Ich meine daher nicht, dass ein Mensch alle Preis(änderungen) manuell freigeben sollte, denn dann ist in der Tat nichts gewonnen.
      Ich meine daher, dass es immer möglich sein sollte, dass der Mensch eingreift – denn im Zweifel weiss er dann doch mehr als die Maschine oder kann Marktdynamiken besser erkennen.
      Grüße
      Christoph

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