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Mit einer neuen Marketingorganisation in die Zukunft

Quelle: Studie Marketingorganisation der Zukunft, bathenjelden

Gerne lasse ich mich ja über die Anforderungen im Marketing aus und wie sich die Arbeitswelt des Marketers verändert, zum Beispiel hier und hier. Da freut es mich umso mehr, dass Dirk Bathen und Jörg Jelden ganz aktuell eine Studie zum Thema „Marketingorganisation der Zukunft“ veröffentlichen.

Sie haben dazu u.a. Einzelinterviews mit mehr als 30 Marketingverantwortlichen und -vordenkern geführt, eine Onlinebefragung mit mehr als 800 Teilnehmern durchgeführt und in mehrtägigen Workshops mit Experten die Thesen erarbeitet und verifiziert.

Herausgekommen ist dabei mehr als ein Forschungsbericht. Es ist ein Dokument, welches den Status Quo des Marketings in allen Facetten beleuchtet und Ableitungen für eine zukünftige Marketingorganisation trifft. Um es vorweg zu nehmen: Diese Studie sollte sich jeder Marketingleiter unter das Kopfkissen legen und jeder Marketinginteressierte wird sie verschlingen. Die Studie hat den Anspruch, eine Diskussion in Gang zusetzen – und diesem Anspruch wird sie voll gerecht.

Aber der Reihe nach.

Vor welchen Herausforderungen steht die Marketingorganisation

Die Welt verändert sich, und damit auch das Berufsbild des Marketers.

Oder, wie es ein Teilnehmer der Studie beschreibt:

Für Marketingleiter wird es immer schwieriger. Sie brauchen ein viel größeres Skill-Set als früher, ein breiteres Datenverständnis und Technologiewissen sowie mehr Kompetenzen im Bereich Vernetzung und Koordination. Die Position als Kunden- und Marktversteher ist nicht mehr ausreichend.“

  • Digitalisierung – Explosion der Daten: Mehr Daten stehen in immer mehr Medien und Kanälen zur Verfügung, die Prozesse werden immer automatisierter und die Geschwindigkeit wird weiter zunehmen. Der Marketer der Zukunft (oder sogar heute schon?) muss die Technik beherrschen – und nicht die Technik ihn.
  • Netzwerkgesellschaft – neue Gemeinschaften in einer fragmentierten und fragilen Welt: Mehr Informationen und mehr Wissen sowie die permanente Verfügbarkeit dessen führt zu einer extrem hohen Markttransparenz und damit Konsumentenmacht. Das gleiche Produkt, ein paar Euro billiger, ist nur zwei Mausklicks entfernt. Der Preis wird immer kaufentscheidender – und damit die Kostenstrukturen des Unternehmens. Ansonsten muss man sich über Marke, Convenience und Service (inkl. Preisbausteine wie Garantien, etc.) differenzieren.
  • Neue Arbeitswelten – die Flexibilisierung des Unternehmens: junge Mitarbeiter von heute wollen keine festgelegten Karrierewege in Großunternehmen. Statussymbole, Machtansprüche und Hierarchien treten in den Hintergrund. Oder wie mir Ana, eine erfolgreiche Instagrammerin mit mehr als 300.000 Followern, neulich berichtete: „Meine Chefin möchte, dass ich meine Arbeitszeit aufstocke – dann hätte ich aber weniger Zeit zum instagrammen. Da würde ich mir wohl eher einen neuen Job suchen, solange ich mit Instagramm so erfolgreich bin.“ Heisst also: Junge Mitarbeiter sind leistungsbereit, aber nicht in dem klassischen Arbeitsschema. Attraktive Arbeitszeit-, Arbeitsort- und Vergütungsmodelle neben Zurverfügungstellung moderner Technologie und Tools ziehen fähige Talente an.
  • Post-Wachstum – dem kurzfristigen Effizienzdruck begegnen: „immer schneller, immer weiter, immer höher“ ist der Grundtenor der allermeisten Unternehmensstrategien. Die sind dann per se aber nur Kurzfristaktivitäten und keine Strategien mehr, da der Erfolgsdruck permanent zunimmt. Die Autoren formulieren sehr schön: „Schnelle Erfolge feiert man nicht mit Markenaufbau, sondern mit messbaren Maßnahmen. […] Manchmal ist die Jahresbudgetverhandlung die einzige Gelegenheit, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen.“ Umso wichtiger ist also das wirkliche Durchdenken und Erstellen (sowie daran festhalten und Umsetzen) von Strategien.

Aus diesen Herausforderungen und Veränderungen in der Unternehmensumwelt leiten die Autoren sehr schön ab, dass sich das Marketing der Zukunft anders aufstellen muss als heute. Nicht nur, dass 81% der Befragten es für (sehr) wahrscheinlich halten, dass die Marketingabteilung bis zum Jahr 2020 noch näher an den Vertrieb rückt, auch insgesamt muss sich die Marketingorganisation verändern.

Denn – die heutigen Schwächen sind:

  • Marketing als Silo: Marketing soll eine Querschnittsfunktion ausüben und Expertenwissen bündeln. Dabei besteht die Gefahr, dass sich das Marketing zu weit von den anderen Geschäfts- oder Produkteinheiten entfernt und im Elfenbeinturm agiert.
  • Silo im Silo: durch neue Disziplinen der letzten Jahre sind die Fachfunktionen zersplittert in Kanäle wie Event, Media, PR, Digital, Social, … Das ist nicht überschneidungsfrei und doch fehlt eine Klammer.
  • Unklare Zuständigkeiten: jeder grössere Fach- und Produktbereich betreibt sein eigenes Marketing, bei der Kommunikationsabteilung weiss man ohnehin nicht so genau, wo sie hingehört.

Eine neue Marketingorganisation für die Zukunft

Vier Szenarien zur Marketingorganisation der Zukunft
Quelle: Studie Marketingorganisation der Zukunft, bathenjelden

Um den heutigen Veränderungen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, bringen die Autoren neue Formen einer Marketingorganisation ins Spiel. Es versteht sich von selbst, dass eine neue Organisationsstruktur im hierarchischen Sinne – singulär betrachtet – noch nie unternehmerische oder strategische Defizite gelöst hat. Und sicherlich gäbe es auch noch viele weitere Massnahmen, wie man sich im Marketing auf die Zukunft vorbereiten kann. Aber zum einen muss die Studie irgendwo einen Schwerpunkt setzen, und zum anderen definieren die Autoren „Marketingorganisation“ über das hierarchische hinaus: es geht um Rollen, Aufgaben, Zusammenspiel und Selbstverständnis von Marketing im Unternehmen.

Die Autoren entwickeln daraus vier Szenarien, um das Rollenverständnis und die entsprechenden Strukturen, Prozesse und Kompetenzen im Marketing zu ordnen:

  1. Neustart – Unternehmen ohne Abteilung: eine radikale Form der Marketingorganisation, frei von Hierarchien. Die Mitarbeiter organisieren sich selbst in Arbeitskreisen, themen- oder projektbezogen. Das fördert die Effizienz, funktioniert aber nur mit unternehmerisch denkenden und selbstmotivierten Mitarbeitern. Jeder muss sich für seine Idee „Follower“ suchen und führt dazu, dass die jeweils geeignetsten Leute an einem Thema arbeiten. So wie der US-Online-Schuhhändler Zappos, der auf Hierachien und Chefs verzichten will.
  2. Koordinierung – Überall und nirgends: Marketing wird dezentral strukturiert, d.h. jeder Fachbereich hat einen eigenen Marketingbereich, der von einer zentralen Stabsstelle koordiniert wird. Nach Meinung der Autoren verliert die Marketingorganisation damit zwar an Größe, gewinnt aber an Bedeutung. In diesem Modell wird entscheidend sein, wohin die „solid lines“ und wohin die „dotted lines“ gehen, denn „Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing“ wird auch auf absehbare Zeit noch ein Grundmuster menschlichen Verhaltens darstellen.
  3. Wachablösung – sich verändert oder verändert werden: Marketing kann der Treiber der digitalen Revolution im Unternehmen werden und den zukünftigen „Chief Digital Officer“ stellen, von dem fast jeder Dritte der befragten Marketingexperten glaubt, dass er sich im Jahr 2020 fest in den Unternehmensstrukturen etabliert hat. In diesem Szenario nutzt das Marketing sein Kunden-, Markt- und Technologiekompetenz um neue Geschäftsmodelle, Produkte und Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
  4. Nachweisbarkeit – nur die Zahlen zählen: Dieses Modell trägt der höheren Geschwindigkeit und des Effizienzdrucks Rechnung. Im Marketing geht es dann um Vertriebsunterstützung, messbare Ergebnisse und quantifizierbare Erfolge. KPIs stehen vor Marke und Strategie, Analyse vor Kreativität.

Die Ableitung der Szenarien finde ich sehr gelungen und in der Studie natürlich schöner und ausführlicher dargestellt als ich das hier kann. Persönlich finde ich das Szenario „Wachsablösung“ erstrebenswert – nicht zuletzt, weil genau die Themen „Marketing, Strategie und Technologie“ auch die Schwerpunkte dieses Blogs sind. Aber auch die anderen Modelle sind nicht uninteressant oder weniger erstrebenswert. Ich denke, dass es kein „entweder – oder“ der Varianten ist, sondern ein „sowohl – als auch“, abhängig von Unternehmen(skultur / -größe), Produkt und Branche.

Fazit: unbedingt lesenswert

Auf jeden Fall regen die vier Modelle zum Nachdenken an, jeder Marketingleiter hat damit eine Grundlage, um sich Gedanken zu der Weiterentwicklung seiner eigenen Marketingorganisation zu machen. Und genau das ist für mich das wertvolle an dieser Studie – sie rüttelt wach, sie inspiriert und sie zeigt Lösungswege.

Die Autoren haben alle aktuellen Themen, die für das Marketing heute und morgen relevant sind, aufgegriffen und liefern für jeden Marketinginteressierten viele Denkanstöße und Inspiration. Die Studie ist lehrbuchmäßig strukturiert: von der Außenperspektive kommend werden Umfeldveränderungen analysiert, Herausforderungen abgeleitet und Maßnahmen definiert.

Sie ist zudem sehr präzise und flüssig geschrieben und klar in der Argumentation – absolut lesenswert!

Auf der Webseite zur Studie finden sich weitere Informationen, auf der Seite des Deutschen Marketingverbands kann die Studie als Buch erworben oder kostenlos heruntergeladen werden.

Christoph
Christophhttps://www.marktding.de/christoph-ludewig
betreibt Marktding.de. Ausserdem ist er B2B-Marketer und Stratege mit einer Vorliebe für Wachstumsstrategien und der Entwicklung und Vermarktung von Dienstleistungen und technischen Produkten. Sein besonderes Faible gilt der Entwicklung von produktbegleitenden Dienstleistungen. Mehr über Christoph hier im Blog.

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